An vorderster Front der Wissenschaft

Im Zuge des High School Student Internship Programmes (HSSIP) des CERN hatten 23 naturwissenschaftlich interessierte SchülerInnen aus ganz Österreich, darunter ich selbst, Maximilian Spitaler, Schüler der 8B, die einmalige Gelegenheit, zwei Wochen lang die Arbeit an dieser namenhaften Forschungseinrichtung kennenzulernen und selbst in die vielfältigen Tätigkeiten der WissenschaftlerInnen einzutauchen.

Das CERN ist das weltweit größte Zentrum für Teilchenphysik und besonders für den Large Hadron Collider (LHC) und die dort durchgeführten Experimente, die zum experimentellen Nachweis des Higgs-Bosons geführt haben, bekannt. Der LHC kann Protonen, die sich auf einer 27 km langen Kreisbahn befinden, mittels elektrischer Felder auf 99.999999 % der Lichtgeschwindigkeit beschleunigen. Zur Ablenkung der Teilchen benötigt man Elektromagnete, die 200 000-mal so stark sind wie das Erdmagnetfeld, und zum Erreichen der notwendigen Stromstärke auf 1.9 K gekühlt werden müssen. Dies ist erstaunlicher Weise 0.83 K kälter als das Universum. Als Kühlmittel verwendet der LHC superfluides Helium und es dauert sechs Wochen, bis die Magnete auf Betriebstemperatur sind. Die 2556 zeitgleich im LHC gespeicherten Protonpakete mit je 100 Milliarden Protonen werden im Abstand von 25 ns an den vier Detektoren ALICE, ATLAS, CMS und LHCb gekreuzt, wobei 600 Millionen Kollisionen pro Sekunde mit einer Energie von 13 TeV auftreten. Seit Dezember 2018 befindet sich der LHC im Long Shutdown 2, welcher voraussichtlich bis 2021 dauern wird.

Dies ermöglichte den SchülerInnen die bessere Besichtigung der Anlage und Detektoren. So wurden CMS (Compact Myon Solenoid), der auf die genaue Detektion von Myonen spezialisiert ist, und ALICE (A Large Ion Collider Experiment), welcher besonders genau bei Schwerionenkollisionen (Pb82+) arbeitet, besucht. Ein solcher Detektor ist in Schichten aufgebaut und besitzt eine Spule, die die Bestimmung des Impulses der geladenen Teilchen ermöglicht. Informationen über Neutrinos, die nicht mit dem Detektor wechselwirken, erhält man über die Impulserhaltung. Darüber hinaus erlangten die SchülerInnen einen Einblick in die Antimatter Factory am CERN, wo Protonen auf ein festes Target geschossen und bei genügend großer Energie Antiprotonen erzeugt werden. Diese werden im Antiproton Decelerator (AD) von einigen GeV auf keV abgebremst und mittels einer entsprechenden Spannung in einer Penning Trap festgehalten. Führt man die Antiprotonen mit Positronen (z.B. aus einem Betastrahler) zusammen, erhält man Antiwasserstoff, dessen Spektrallinien und Verhalten im Gravitationsfeld der Erde am CERN untersucht werden. Weiters sahen die SchülerInnen das Kontrollzentrum des Alpha Magnetic Spectrometers (AMS), welches sich auf der ISS befindet und primäre kosmische Strahlung erforschen soll, das CERN Control Center (CCC), die Cryomagnet Test Facility (SM18) und das Data Center. Dort werden die jährlich anfallenden 100 Petabyte an Daten verarbeitet und auf Magnetbändern, die alle Daten seit Beginn der Experimente in den 1950er Jahren umfassen, gespeichert.

Neben den Besichtigungen durften die SchülerInnen in Forschergruppen mitarbeiten. Es standen Projekte in verschiedenen Fachbereichen zur Auswahl, von Thermodynamik bis Netzwerktechnik und natürlich auch Teilchendetektion. Beispielsweise baute eine Gruppe eine Multi-gap resistive plate chamber (MRPC), mit welcher sie aufgrund von Gasentladungen ausgelöst durch die Stoßionisation vorbeifliegender Myonen den Ort des Teilchens bestimmen und über die Flugzeit auf dessen Geschwindigkeit rückschließen konnten. Überdies setzte sich eine Gruppe mit den seltenen Zerfällen von Kaonen auseinander und eine weitere erprobte neue Methoden der Kühlung von Antiprotonen mittels eines CW-Lasers und Acetylen. Ich selbst ergriff die Gelegenheit im Cryolab des CERN arbeiten zu dürfen. Dort werden Effekte im Tieftemperaturbereich, unter 77 K, untersucht, wie sie für die Magneten des LHC essentiell sind. Dies betrifft hauptsächlich Supraleitung und Suprafluidität. Zum Beispiel werden verschiedene Lötverbindungen zwischen den Kabel der Elektromagneten und deren Auswirkung auf den elektrischen Widerstand untersucht. Gemeinsam mit einem weiteren Schüler aus Salzburg widmete ich mich dem Abkühlprozess eines Aluminiumzylinders auf etwa 75 K (-198° C) mithilfe von flüssigem Stickstoff und den Unterschieden im Wärmefluss in verschiedenen Siederegimen (film und nucleate boiling), wie sie auch für das Kühlen der LHC Magnete von Bedeutung sind. Weiters durften wir unter den notwendigen Sicherheitsvorkehrungen mit flüssigem (4.2 K) und superfluidem (2.17 K) Helium arbeiten und erstellten mit MATLAB eine Kalibrationskurve für einen Temperatursensor.

Das HSSIP bot mir die Möglichkeit, einen Einblick in den Forschungsalltag an einer der renommiertesten Einrichtungen der Welt zu erlangen und meinen Wissenshorizont gemäß meiner Interessen zu erweitern. Darüber hinaus konnte ich Kontakte zu Wissenschaftlern am CERN sowie zu SchülerInnen aus ganz Österreich knüpfen. Durch das Projekt gewann ich einen Blick auf die vorderste Front der Wissenschaft, wo kluge Köpfe tagtäglich versuchen, die Grenze des Wissens ein Stück weit zu verschieben, um somit mehr von dem preiszugeben, was die Welt im Innersten zusammenhält.